Gleichheit vor dem Gesetz? Denkste!

Von Alexander Müller veröffentlicht am 11. November 2013 | 3.372 mal gesehen

Heute berichtete der Blick über einen Gehörlosen, der mit dem Trottinett vom Milchbuck zum Hauptbahnhof hinunter fuhr. Er war dabei offenbar so schnell unterwegs, dass er von einer Radarfalle geblitzt wurde. Möglich ist aber auch, dass er bei rot über eine Ampel fuhr. Was mich verblüfft ist das Verhalten der Zürcher Stadtpolizei.

Mit dem Trottinett in die Radarfalle
Mit dem Trottinett in die Radarfalle

Nachdem er geblitzt worden war, ging der Gehörlose zur Polizei um sich zu stellen. Dabei erkundigte er sich ob er eine Busse bezahlen müsse. Darauf soll ihm eine Polizistin entgegnet haben, dass er Glück habe und keine Busse bezahlen müsse weil sein Trottinett kein Kennzeichen habe.

Meiner Ansicht nach hat die Polizei hier falsch gehandelt. Laut Artikel 8 der Bundesverfassung ist vor dem Gesetz jeder gleich. Auch im Strassenverkehrsgesetz steht nirgends, dass nur Verkehrsteilnehmer mit einem Kennzeichen gebüsst werden können. Es können auch Verkehrsteilnehmer ohne Kennzeichen wie z.B. Fussgänger gebüsst werden, wenn sie gegen die Verkehrsregeln verstossen. Die Verkehrsregeln gelten für alle Verkehrsteilnehmer!

Ein Kennzeichen dient lediglich der Identifizierung. Indem sich der Mann selber bei der Polizei gestellt hat und von dieser sogar noch das Foto des Blitzers ausgehändigt bekommen hat, ist er eindeutig identifiziert. Somit ist es auch möglich ihn zur Rechenschaft zu ziehen.

Schliesslich gilt es zu bedenken, dass der Gehörlose bei seiner rasanten Fahrt andere Verkehrsteilnehmer hätte gefährden können. Blitzkästen werden ja extra deshalb aufgestellt um Geschwindigkeitsübertretungen zu verfolgen! Gerade als Gehörloser kann er ja im Strassenverkehr nicht alle Sinne nutzen, der Gehörsinn fehlt und er kann somit nicht auf Geräusche reagieren. Das erfordert meiner Ansicht nach besondere Vorsicht und ein umsichtiges Verhalten. Was, wenn ein er in einen Fussgänger gefahren wäre? Was, wenn plötzlich ein Kind auf die Strasse gerannt wäre? Hat ein Trottinett ein ABS-Bremssystem? Was, wenn er umgefallen und unter ein Auto gekommen wäre? Er hatte ja noch nicht einmal einen Helm an! Wahrscheinlich wäre im letzteren Fall dann der Autofahrer gebüsst worden. Die Stadt Zürich ist ja für ihre rigide Politik gegenüber Autofahrern berüchtigt.

Aber vielleicht hat dieser lockere Umgang mit Velo- und Trottinettfahrern in der Stadt Zürich ja damit zu tun, dass der Stadtzürcher Polizeivorsteher ein Linksalternativer ist.

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7 Gedanken zu „Gleichheit vor dem Gesetz? Denkste!“

  1. Falsch. Einmal kurz googeln und/oder ein Blick in die Verkehrsregelverordnung hätte die Aufregung und diesen Artikel vermeiden können. Für Trottinetts gelten die gleichen Verkehrsregeln wie für Fussgänger, nicht diejenigen für Fahrzeuge. Entsprechend gelten auch die Geschwindigkeitslimiten für Fahrzeuge nicht.

  2. Wie kommen Sie darauf, dass sich die Aufregung legt? Es kann nicht angehen, dass Trottinettfahrer bei Geschwindigkeitsübertretungen oder Fahrens über eine rote Ampel straffrei bleiben und lediglich Motorfahrzeug- und Fahrradfahrer gebüsst werden.

    Wie ich im Artikel bereits geschrieben habe, gibt es im Grundgesetz einen Gleichstellungsartikel, der in untergeordneten Gesetzen und Verordnungen zu berücksichtigen wäre. Ausserdem dürfen auch Fussgänger nicht einfach bei rot über eine Ampel gehen.

    Ich bezweifle zudem, dass es sicher ist mit einem Trottinett zu rasen. Ein durchschnittliches Trottinett ist nicht für hohe Geschwindigkeiten gebaut. Entsprechend besteht bereits bei tieferen Geschwindigkeiten eine höhere Unfallgefahr für Trottinettfahrer bzw. eine höhere Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer. Was wenn ein erwachsener Trottinettfahrer einfach ungebremst in ein Kind rast, das plötzlich auf die Strasse rennt? Noch dazu bergab? Beide tragen keinen Helm und die Geschwindigkeit ist hoch genug um einen Blitzer auszulösen? Hallo? Das soll nicht strafbar sein? Geht’s noch?

    Um eine erhöhte Verkehrssicherheit zu erzielen, reicht es nicht, einfach nur einseitig den motorisierten Verkehr zu kontrollieren und zu büssen. Auch die übrigen Verkehrsteilnehmer müssen sich an Verkehrsregeln halten! Sofern es diese Regeln für übrige Verkehrsteilnehmer nicht gibt, sind sie zu schaffen! Gleiches Recht für alle, so steht es im Grundgesetz (Bundesverfassung)!

  3. Ich kann mir echt nicht vorstellen, dass es mit so einem Kickboard möglich ist so schnell zu fahren damit man geblitzt wird. Es dürfte sich wohl um ein Rotlicht-Blitzer handeln.

  4. 1. Nochmals: Es geht im Artikel um eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge. Diese gilt jedoch nicht für (nicht als Fahrzeuge zugelassene) Trottinetts. Folglich kann es für Trottinetts auch keine Busse für Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge geben. Punkt.

    2. Von einem Überfahren einer roten Ampel war weder im Artikel noch in Ihren Ausführungen die Rede. So hat niemand bestritten, dass Fussgänger und Trottinettfahrer dafür gebüsst werden.

    3. Ebenso hat niemand bestritten, dass auch Trottinettfahrer die Geschwindigkeit und die
    Fahrweise stets den Umständen und den Besonderheiten des Geräts anpassen müssen (Art. 50a Abs. 2 Verkehrsregelnverordnung). Ein Rechtsstaat darf aber nicht eine Busse erteilen, weil eine für bestimmte andere Verkehrsteilnehmer in einem bestimmten Gebiet geltende bestimmte Höchstgeschwindigkeit überschritten worden ist. Diese gilt ja wie erwähnt für Trottinetts nicht.

    Der Trottinettfahrer wird hingegen gebüsst, wenn ihm der Rechtsstaat eine Verletzung der für ihn geltenden Regeln rechtsgenüglich nachweisen kann. Dass aber seine Fahrweise und Geschwindigkeit den konkreten Umständen nicht angepasst gewesen sein sollen, dürfte sich – im Gegensatz zur Überschreitung einer abstrakten Höchstgeschwindigkeit – alleine gestützt auf einen Schnappschuss nur sehr schwerlich beweisen lassen.

    4. Rechtsgleichheit heisst entgegen Ihrer Behauptung nicht „gleiches Recht für alle“, sondern „alle sind vor dem Gesetz gleich“ (Art. 8 Abs. 1 BV). Bedeutet: Gleiches ist nach Massgabe seiner Gleichheit gleich (Gleichbehandlungsgebot), Ungleiches ist nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich (Differenzierungsgebot) zu behandeln. Mit anderen Worten fordert das Differenzierungsgebot als Teilgehalt der Rechtsgleichheit beim Vorliegen tatsächlicher Differenzen (etwa zwischen Autos und Menschen im Strassenverkehr) gerade eine rechtliche Differenzierung (unterschiedliche Verkehrsregeln für Fahrzeugführer und Fussgänger).

    Befürworten Sie wirklich und ernsthaft ein „gleiches Recht für alle“? Sind Sie sich der absurden Folgen einer formalen Gleichbehandlung aller Rechtssubjekte ungeachtet relevanter tatsächlicher Unterschiede bewusst? Nur ein Beispiel: Neben diskutierbaren Auswirkungen wie zwingender Flat Tax Rate folgt daraus auch, dass z.B. Sex mit Babys zulässig sein muss (jeglicher Kinder- und Jugendschutz wäre als unzulässige Differenzierung verboten).

  5. Heissen Sie wirklich El Erre?

    Zu Ihren Ausführungen:

    1. Geschwindigkeitsvorschriften sollten für alle Verkehrsteilnehmer gelten. Begründung: Wer auf Strassen schneller fährt als erlaubt, gefährdet sich und andere Verkehrsteilnehmer und dies unabhängig vom Fahrzeug, das er benutzt. Dies gilt zumindest dann, wenn Geschwindigkeitsvorschriften der Verkehrssicherheit dienen und nicht als Einnahmequelle für marode Staatskassen gedacht sind.

    2. Richtig ist, dass im Blick-Artikel nicht vom Überfahren einer roten Ampel die Rede war. Doch muss das stimmen? Ich habe in meinem Artikel immerhin die Möglichkeit miteinbezogen, dass auch eine rote Ampel überfahren worden sein könnte. Wie ein anderer Kommentarschreiber beweist, gibt es auch andere, die diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Beim Betrachten des Hintergrunds des Bildes sieht man hinter dem Fussgängerstreifen eine weisse durchgezogene Linie. Solche Linien finden sich bei Stoppschildern und bei Ampeln. Weiter ist zu erkennen, dass sich hinter dem Trottinettfahrer hinter einer solchen Linie ein Mercedes befindet. Es ist denkbar, dass das Auto dort steht weil die Ampel rot ist. Folglich ist es auch denkbar, dass der Trottinettfahrer bei rot über die Ampel gefahren ist. Okay, es ist natürlich auch denkbar, dass nur für die Spur, die nach rechts abbiegt, rot war.

    3. Diese eigenartige Interpretation kann ich nicht nachvollziehen und erachte ich auch nicht für zweckmässig. Der Zweck von Geschwindigkeitsvorschriften ist es ja, die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Folglich müssten die Lenker von ALLEN Fahrzeugen, die Tempolimiten überschreiten können und auf der Strasse zugelassen sind, zur Rechenschaft gezogen werden können. (Lenker von nicht auf der Strasse zugelassenen Fahrzeugen, die mit ihren Fahrzeugen auf der Strasse erwischt werden, gehören zumindest deswegen zur Rechenschaft gezogen.)

    4. Was Sie hier betreiben ist Wortklauberei. Was ich mit der Aussage „gleiches Recht für alle“ meine, steht in Artikel 8, Absatz 2 der Bundesverfassung!

    In Art. 8, Absatz 2, BV heisst es:

    Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.

    Zu Ihrer Frage ob ich gleiches Recht für alle befürworte:
    Ich finde es wichtig, dass jedem vor dem Gesetz ein faires und gerechtes Verfahren garantiert wird. Um faire Verfahren zu gewährleisten haben wir ein formelles Recht, welches in den Prozessordnungen (ZPO, StPO) festgehalten ist.

    Um gerechte Verfahren gewährleisten zu können, müsste sich der Gesetzgeber nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit orientieren. Was ist Gerechtigkeit? Gerechtigkeit wird nach Wikipedia wie folgt definiert:
    „Gerechtigkeit bezeichnet einen idealen Zustand des sozialen Miteinanders, in dem es einen angemessenen, unparteilichen und einforderbaren Ausgleich der Interessen und der Verteilung von Gütern und Chancen zwischen den beteiligten Personen oder Gruppen gibt.“

    Ich bin mir natürlich darüber im Klaren, dass Juristen nicht in der Lage sind Gerechtigkeit zu garantieren und dass es bei Gerichten nicht in erster Linie um Gerechtigkeit sondern um die Anwendung von Gesetzen geht.

    Politiker der gesetzgebenden Gewalt „hätten“ hingegen die Aufgabe ungerechte Gesetze aufzuheben und durch gerechte Gesetze zu ersetzen. Dies, damit Juristen gerechte Urteile fällen können. Leider gibt es auch Gesetzesrevisionen, die genau das Gegenteil bewirken.

  6. El Erre ist mein im Alltag gebräuchlicher (Über-)Name, jedoch nicht mein vollständiger, amtlicher Name. Das ist ja z.B. Jonas auch nicht. Insofern hoffe ich trotzdem auf eine sachliche Diskussion.

    1. Wie gesagt, das Problem liegt darin, dass (zumindest nach geltendem Recht) ein Trottinett kein Fahrzeug ist. Deshalb keine Busse. Ob es zukünftig allenfalls als Fahrzeug behandelt werden sollte, ist natürlich eine andere Frage.

    2. Ja, es ist denkbar, dass er ein Rotlicht überfahren hat. Genauso ist denkbar, dass er dann auch dafür gebüsst worden wäre. Schliesslich ist denkbar, dass es dann wohl auch keinen Blickartikel darüber gegeben hätte.

    3. Wie bereits in 1. angedeutet, kann man über die zukünftige Regelung dieser Problematik durchaus diskutieren. Zumindest spontan fällt mir auch nichts ein, was eindeutig gegen Ihren Vorschlag sprechen würde.

    4. Nicht Wortklauberei, sondern Grundpfeiler der gesamten schweizerischen Rechtsordnung. Wie erwähnt ist vorliegend Art. 8 Abs. 1 BV relevant, nicht Abs. 2.

    Bezüglich Gerechtigkeit – ohne überhaupt auf einen von zwei rechtsphilosophischen Hauptströmen eingehen zu wollen, der eine strikte Trennung von Recht und Moral fordert – vertrete ich eine andere Überzeugung. Sehr kurz gesagt: Willkürlich eine von Hunderten von unterschiedlichen materiellen Gerechtigkonzeptionen/-definitionen heranzuziehen bringt nichts; Verfahrensgerechtigkeit ist gefragt.

  7. Dann haben wir ja wenigstens zumindest was das Verfahrensrecht angeht einen gemeinsamen Nenner. Wie Sie sicher bemerkt haben, habe ich folgendes geschrieben:

    „Um faire Verfahren zu gewährleisten haben wir ein formelles Recht, welches in den Prozessordnungen (ZPO, StPO) festgehalten ist.“

    Das Verfahrensrecht alleine kann jedoch keine Gerechtigkeit gewährleisten. Das formelle Recht soll Fairness im Verfahren gewährleisten. Leider zeigt meine Erfahrung, dass dies in der Praxis oft nicht der Fall ist weil sich Behörden nicht daran halten.

    Zudem, ein gutes formelles Recht alleine nützt nichts, wenn das materielle Recht ungerecht oder unzureichend ist. So ist es natürlich völlig daneben, wenn nur Lenker von Motorfahrzeugen für Verkehrsregelverstösse gebüsst werden, weil der Gesetzgeber vergessen hat, dass es auch mit anderen Fahrzeugen möglich ist Verkehrsregelverstösse zu begehen. Möglicherweise liegt das aber auch daran, dass das betreffende Gesetz nicht mehr zeitgemäss ist und revidiert gehört.

    Gerade die Normen des materiellen Rechts unterliegen dem Wandel, welcher massgeblich von moralischen Gesichtspunkten geleitet wird. Siehe z.B. die Entwicklung bei Strassenverkehrsdelikten. Diese entwickelten sich in ein paar Jahrzehnten vom Kavaliersdelikt zum Schwerverbrechen.

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