Stuttgart 21

Von Alexander Müller veröffentlicht am 6. Oktober 2010 | 4.423 mal gesehen

Stuttgart 21In Baden-Württemberg werden derzeit die Grenzen einer Stellvertreter-Demokratie offenbar. Es geht um das Verkehrs- und Städtebauprojekt Stuttgart 21. Damit will die Regierung von Baden-Württemberg den Eisenbahnknotenpunkt in Stuttgart neu ordnen. Sie setzt sich dabei eigenmächtig über Bürgerproteste hinweg und lässt protestierende Bürger gewaltsam niederknüppeln. Der Streit ist eskaliert. Medienberichte zeigen Szenen, die an das Vorgehen einer Diktatur gegen Dissidenten erinnern.

Inzwischen hat selbst die deutsche Bundeskanzlerin Merkel von den Problemen ihres Statthalters in Baden-Württemberg erfahren. Sie vertröstete die erbosten Bürger auf die kommenden Landtagswahlen. Das wird den Bürgern jedoch nicht viel bringen, da sich die Regierung von Baden-Württemberg weigert das Projekt solange zu sistieren. Dafür soll es nun CDU-Mann Heiner Geissler richten. Er soll „vermitteln“. Böse Zungen sagen, er soll im Auftrag der Regierung das Volk hinhalten und auf Zeit spielen.

In einer „echten“ Demokratie würde man die Bürger über ein derart ambitiöses Grossprojekt abstimmen lassen. Es gäbe dann  einen in der breiten Bevölkerung abgestützten Mehrheitsentscheid. Protestbewegungen könnte man sich dann sparen, da demokratische Entscheide von Demokraten zu akzeptieren sind. Ausserdem würde die Bevormundung mündiger und handlungsfähiger Bürger entfallen.

Um Entscheidungsprozesse nicht mit langwierigen Abstimmungsverfahren zu verzögern, könnte man den Bürgern auch ein Referendumsrecht einräumen. Die Bürger hätten dann das Recht gegen Entscheide der Regierung oder des Landtags (Parlaments) ein Referendum einzureichen.  Ein Referendum benötigt eine bestimmte Anzahl Unterschriften von Wahl- und Stimmberechtigten Bürgern und muss innerhalb einer gesetzlich festgelegten Frist eingereicht werden. In der Schweiz ist das Referendumsrecht auf Bundesebene in der Bundesverfassung geregelt. Beim Zustandekommen eines Referendums muss das Volk per Volksabstimmung über einen Entscheid oder ein Gesetz der Regierung oder des Parlaments befinden. Ein Referendum ist eine Art Notbremse, mit der das Volk unliebsame Entscheide der Machthaber aufheben kann.

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12 Gedanken zu „Stuttgart 21“

  1. Politik hat in der Regel immer eine egoistische Komponente. Die einzelnen politischen Interessensgruppen versuchen ihre Ziele zu erreichen, es gibt verschiedene Weltanschauungen, verschiedene Problemlösungsvarianten usw. Das Problem ist wohl eher, dass man in Deutschland die Bürger (das Volk) bei wichtigen Entscheiden nicht einbezieht und einfach selbstherrlich entscheidet. Es stellt sich die Frage wieweit ein solches politisches System noch demokratisch ist. Die deutschen Bürger müssten mehr Mitbestimmungsrechte haben. Ich denke da z.B. an das Referendumsrecht als Notbremse um Entscheide der politischen Entscheidungsträger zur Abstimmung vors Volk (Volksabstimmung) zu bringen.

  2. Auf der anderen Seite ist das wenigstens ehrlich. In der Schweiz gibt es auch Strömungen, die das Volk zu dumm für weitreichende Entscheidungen halten und dann lauthals nach EU, dem Europäischen Gerichtshof oder der Europäischen Menschenrechtskonvention rufen.
    Oder man bearbeitet das Stimmvolk solange mit falschen Informationen und Kostenrechnungen, bis es glaubt, etwas zu wollen und bezahlen zu können, was in Wahrheit nie finanziert werden kann und auch überflüssig ist. Aus irgendeinem Grund ist ja den EU-Ministern der Durchstich des Gotthard-Basistunnels ziemlich egal.

  3. Es geht darum ob man in einer Demokratie (Volksherrschaft) das Volk an Entscheidungsprozessen teilhaben lassen soll oder nicht. Wenn man dies nicht tut, muss man sich fragen inwiefern das eine Demokratie ist.

    Meiner Ansicht nach, kann sich ein Herrschaftssystem, welches den Bürgern lediglich das Recht einräumt die Regierung und das Parlament zu wählen nicht Demokratie nennen. Denn die Bürger haben in dieser Herrschaftsform kein Mitbestimmungsrecht. Sie können lediglich Vertreter wählen, haben dann aber keinerlei Einfluss auf Qualitionsverträge und andere Schweinereien, die diese Vertreter beschliessen. Eine solche Staatsform würde ich Wahldiktatur nennen, da sich die Despoten und Tyrannen vom Volk wählen lassen anschliessend jedoch alleine und selbstgefällig herrschen. Das Volk kann dann nur zusehen und muss bis zu den nächsten Wahlen warten. Dann kann es die gleichen Despoten in wechselnden Konstellationen wieder wählen. Nach der Wahl schliessen die Despoten und Tyrannen dann wieder neue Koalitionsverträge und wursteln weiter wie bisher. In Deutschland geht z.B. die CDU/CSU je nach Wahlausgang einmal mit der FDP und dann wieder mit der SPD usw. ins Bett. Entscheidend war dafür jeweils das Abschneiden der FDP bzw. die Frage ob die CDU/CSU mit der FDP eine Mehrheit hat oder nicht bzw. ob die SDP und die Grünen eine Mehrheit haben oder nicht. Sinnvoll ist dieses System nicht. Ich halte es für Volksverarschung, ein politisches Schmierentheater.

    Die Bürger werden von der deutschen Regierung mit einem gewaltigen Umverteilungsapparat (Hartz IV) usw. bei der Stange gehalten. Ab und zu inszeniert die Regierung eine TV-gerechte Propaganda-Show, welche den Bürgern zur Abschreckung weismachen will wie der Staat mit Steuersündern umgeht (siehe Zumwinkel und CD-Klau). In Deutschland wird mit Zuckerbrot und Peitsche regiert. Die Bürger fügen sich solange sie genug zum Leben und zu wenig zum Sterben haben. Eine Revolution werden wir in Deutschland in absehbarer Zeit keine sehen, dazu geht es den Deutschen noch viel zu gut. Die Mehrheit der Deutschen ist gesättigt und lebt gut in der deutschen Wohlfühl-Republik. Manchmal gibts kleine Proteste. Die werden entweder niedergeknüppelt oder aber ausgesessen.

    In der Tat gibt es auch in der Schweiz Kräfte, die mehr Staat und weniger Freiheits- und Mitbestimmungsrechte der Bürger wollen. Zum einen ist es jedoch in einer pluralistischen Gesellschaft nicht verboten so etwas zu wollen und zum anderen sind diese Kräfte nicht das Volk. Es sind Teile des Volkes, die so etwas wollen. Zum Glück „noch“ eine Minderheit (Club Helvétique, NEBS, EU-Turbos, Etatisten, radikale Islamisten usw).

  4. „Club Helvétique, NEBS, EU-Turbos, Etatisten, radikale Islamisten usw“

    Das sind per Definition Postdemokraten. Siehe Wikipedia: Postdemokratie

  5. @Urs und lomnop habe mir den Schwachsinn auf Wikipedia kurz angeschaut unter Post-Politik steht: „Post-Politik ist eine entpolitisierte Form der Politik.“ Es klingt wie der Versuch von Etatisten das Volk zu entmachten. In meinen Augen ist das ein antidemokratischer Schwachsinn. Denn was bitteschön ist entpolitisierte Politik? Ein Schimmel, der nicht weiss ist?

    Letztlich geht es darum ob erwachsene Menschen bevormundet werden müssen oder ob erwachsene Menschen selber in der Lage sind ihr Leben in den Griff zu bekommen. Wer zum Schluss kommt, dass erwachsene Menschen bevormundet werden müssen, der soll mir sagen von wem.

  6. @ Alexander
    Ja, genau. Es wird zwar immer noch von Politik gesprochen, ist aber keine mehr. Um bei deinem Beispiel zu bleiben: die (oft von der SVP geschmähte) Classe politique kommt überein, dass das braune Pferd als Schimmel bezeichnet wird. Wenn man aber genau hinschaut und nicht die gegebene Meinung (im Wikipedia-Artikel als allgemeiner Kompromiss bezeichnet) teilt, sieht man eben, dass es ein braunes Pferd ist.
    Und dass Etatisten versuchen das Volk zu entmachten, beobachten wir doch überall. Du schreibst ja auch dagegen an.

  7. Es handelt sich dabei um eine Erscheinung, der man einen Namen gegeben hat. Immer mehr wird die Macht des Souverän an Instanzen delegiert, die von sich Behaupten die Verkörperung der Vernunft zu sein und meinen das Volk vor sich selbst schützen zu müssen etc.

    Uneingeschränkte Demokratie, ein Auslaufmodell, im Namen des Fortschritts… So meint der Mann der neuen Bundesrätin zB: Lukas Hartmann – Souveränität

  8. Es geht nicht um uneingeschränkte Basisdemokratie. Auch mir ist klar, dass eine Delegierung an Stellvertreter durchaus Sinn macht. Man kann ja nicht extra für jeden Entscheid ein ganzes Stimmvolk zusammentrommeln um darüber abzustimmen.

    Mir geht es aber um den Grundsatz, dass derjenige, der die Macht delegiert immer noch der Inhaber der obersten Macht ist. Und somit bei Entscheiden dreinreden und mitbestimmen kann. Dieses Recht muss das Volk haben. Durch das Initiativ- und Referendumsrecht ist dieses Recht gewährleistet.

    Es ist jedoch in Gefahr. Antidemokratische Kräfte aus dem linken Lager und aus dem Lager der Islamisten wollen die Mitentscheidungsrechte des Volkes einschränken. Das darf nicht sein. Es widerspricht dem Grundsatz, dass das Volk der oberste Souverän einer Demokratie ist und dass erwachsene, mündige und handlungsfähige Menschen keine Bevormundung durch Politiker, Richter und andere Beamte usw. benötigen!

    Wir müssen aufpassen und die demokratischen Volksrechte bis zum letzten Blutstropfen gegen die Feinde der Demokratie verteidigen wenn wir unser liberales Selbstbestimmungsrecht nicht verlieren wollen.

    Politiker, Beamte wie z.B. Richter und Bundesräte, Berufsmilitärs usw. sind keineswegs unbestechlich. Das sind keine Götter. Trotz Völkerrecht und Menschenrechten verüben selbst Beamte (Richter, Regierungspolitiker, Berufsmilitärs) von Staaten, die sich zur Einhaltung der Menschenrechten und des Völkerrechts bekennen, tagtäglich schwere Menschen- und Völkerrechtsverletzungen. Auf diese Neo-Götter ist keineswegs Verlass. Die handeln ja selbst im UNO-Menschenrechtsrat nach ihren eigenen menschenverachtenden Interessen. Der UNO-Menschenrechtsrat verteidigt menschenverachtende islamische Theokratien und verurteilt demokratische Volksentscheide wie sie z.B. in der Schweiz getroffen werden!!! Unbestechlich ist nur das Volk, welches im eigenen Interesse handelt. Es lebe die Demokratie!

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