Mann diskriminiert seine Töchter

Von Alexander Müller veröffentlicht am 4. April 2012 | 2.919 mal gesehen

Wie der Blick berichtet, lässt ein 36 jähriger Mann aus Muttenz seine Töchter nicht am Schwimmunterricht teilnehmen. Angeblich weil er glaubt, dass seine Töchter ihr Schamgefühl verlieren würden, wenn sie mit anderen Kindern schwimmen gehen. (Quelle)

Es gibt immer wieder Probleme mit religiösen Fanatikern und Veganern, die ihre Kinder auf eine eigenwillige Art erziehen oder ernähren wollen. Die zuständigen Behörden sind regelmässig mit der Situation überfordert. Im geschilderten Fall aus Muttenz werden ausgestellte Bussen von einem Gönner bezahlt.

Mich würde interessieren wieweit Eltern über die Rechte von Kindern verfügen dürfen. Ich bezweifle, dass der Vater  seinen Töchtern einen Gefallen tut, wenn er sie vom Schwimmunterricht fernhält. Eine der Töchter ist 9 Jahre alt und dürfte noch ohne weiteres hinnehmen was ihr die Eltern sagen. Doch was, wenn diese Tochter in die Pubertät kommt und am Schwimmunterricht teilnehmen möchte, der Vater ihr das jedoch verbietet? Was geschieht dann? Sollen die Behörden dann weiterhin tatenlos zusehen?

Meiner Meinung nach dürfen Eltern nicht alles mit ihren Kindern machen. So ist z.B. das Zwangsverheiraten von Kindern oder Kindsmissbrauch zu Recht verboten und wird strafrechtlich verfolgt. Falls den Töchtern durch das Verhalten des Vaters ein Nachteil erwächst, wären meiner Ansicht nach vormundschaftliche Massnahmen zu prüfen. Ebenfalls zu prüfen wäre ob religiöser Druck ausgeübt wird. In der Schweiz gilt die Glaubens- und Gewissensfreiheit (BV Art. 15), diese beinhaltet jedoch keinen Zwang zum Glauben durch Eltern oder Familienangehörige.

Bundesverfassung Art 15 Absatz 4
Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen.

BV Art 15, Abs. 4 gilt meiner Ansicht nach auch für Eltern. Diese dürfen ihre Kinder nicht zu einem fundamentalistischen Glauben zwingen.

Siehe auch folgenden Artikel: Schulpflicht und Integration sind wichtiger als religiöse Gebote

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8 Gedanken zu „Mann diskriminiert seine Töchter“

  1. Zur Ihrer (angedeuteten) Frage „Mich würde interessieren wieweit Eltern über die Rechte von Kindern verfügen dürfen“:
    Grundsätzlich üben Kinder und Jugendliche ihre Rechte selbst aus, soweit ihnen die Urteilsfähigkeit zukommt (Art. 11 Abs. 2 BV, http://www.admin.ch/ch/d/sr/101/a11.html). Das heisst, es wird von Fall zu Fall (je nach Individuum und betroffenem Recht) die entsprechende Urteilsfähigkeit (Fähigkeit, vernunftgemäss zu handeln) geprüft. Fehlt diese, handeln die Eltern für sie.
    Eine Sonderstellung nimmt die relgiöse Mündigkeit ein. Diese ist auf 16 Jahre festgesetzt; bis dahin verfügen die Eltern über die religiöse Erziehung (Art. 303 ZGB, http://www.admin.ch/ch/d/sr/210/a303.html).
    Im Ergebnis muss im Modellfall eine 9jährige auf Wunsch der Eltern dem Schwimmunterricht aus religiösen Gründen fernbleiben, auch wenn sie ihn besuchen möchte. Eine 16jährige kann jedoch selbst darüber bestimmen und den Schwimmunterricht besuchen.

  2. Hallo Herr Muff, gut, dass sie BV Art. 11 Abs. 2 erwähnen. Dort steht nämlich folgendes, was es im besonderen zu betonen gilt:

    Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung.

    Nochmals zum Mitschreiben: „…haben Anspruch auf Förderung ihrer Entwicklung„. Dazu gehört eben auch der Unterricht in der Schule! Verstehen Sie?!

    Das ZGB ist der Bundesverfassung untergeordnet. Laut Bundesverfassung Art. 15, Absatz 4 darf niemand zu einem Glauben gezwungen werden! Auch ein Kind darf nicht gegen seinen Willen zum Glauben an eine Religion gezwungen werden.

    Eltern dürfen zwar bis zum 16. Altersjahr über die religiöse Erziehung bestimmen, sie müssen dabei aber darauf achten, dass die Förderung und Entwicklung der Kinder gewährleistet ist und Menschenrechte und Bestimmungen der Bundesverfassung eingehalten werden. Das ist eben nicht der Fall, wenn ein Vater seinen Kindern aus religiösen Gründen etwas verbietet, einzig weil diese Mädchen sind. Mädchen haben in der Schweiz die gleichen Rechte wie Knaben und sollen so erzogen werden, dass sie das merken.

    Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist inakzeptabel und durch nichts, auch nicht eine Religion, zu rechtfertigen!

    Eine fundamentalistische und von religiösem Eifer getriebene Erziehung von Kindern kann auch dann verfassungswidrig sein, wenn die Kinder damit einverstanden sind. Nämlich dann, wenn die Eltern und deren Umfeld minderjährigen Kindern eine religiöse Gehirnwäsche verpassen, sie unter Druck setzen und manipulieren. Damit schaden solche Leute nämlich ganz offensichtlich der Entwicklung ihrer Kinder.

  3. Ohne zu tief in die Grundrechtslehre eintauchen zu wollen, habe ich doch zwei prinzipielle Anmerkungen und Differenzierungen zu Ihren Ausführungen:

    1. Offenbar ist in der Diskussion weiterhin unklar, was Grundrechte sind:
    a.) Zur Dimension: Grundrechte = grundlegende Rechte GEGEN DEN STAAT. Sie garantieren dem Individuum eine freiheitliche Sphäre, die der Staat nicht verletzen (d.h. nur unter den Voraussetzungen des Art. 36 BV einschränken) darf. Es geht (vereinfacht gesagt) also immer um das Verhältnis zwischen Staat und Individuum, nicht zwischen Privaten (z.B. Vater und Tochter). So richtet sich auch die Religionsfreiheit (Art. 15 BV) gegen staatliche Eingriffe in den geschützten Bereich, nicht gegen Handlungen des Vaters. Ihre Argumentationsrichtung und ihr Schluss „BV Art 15, Abs. 4 gilt meiner Ansicht nach auch für Eltern.“ sind daher grundsätzlich falsch.

    b.) Zum sachlichen Schutzbereich (Inhalt d. Anspruchs): Der von Ihnen zitierte Aspekt der Glaubens- und Gewissenfreiheit (Art. 15 Abs. 4 BV) ist – wie alle klassischen Freiheitsrechte – ein ABWEHRRECHT gegen den Staat. Er garantiert damit die negative Seite der Religionsfreiheit: Niemand darf vom Staat zu einer Religion gezwungen werden. Solche Abwehransprüche sind bereits erfüllt, wenn der Staat einfach nichts tut. Positive Leistungsansprüche hingegen (wie Teilnahme am Schwimmunterricht) sind daraus nicht ableitbar.

    c.) Zum persönlichen Schutzbereich (betroffener Personenkreis): Art. 49 Abs. 3 der BV von 1874 hielt noch ausdrücklich fest: „Über die religiöse Erziehung der Kinder bis zum erfüllten 16. Altersjahr verfügt (…) der Inhaber der väterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt.“ In der Revision 1999 wurde das wegen Art. 303 ZGB nicht ausdrücklich in den Verfassungstext aufgenommen, was aber nichts an der Grundrechtsqualität der Wahlfreiheit ab 16 ändert. Ergebnis: Bis 16 entscheiden die Erziehungsberechtigten, danach erst die Betroffenen. Ihre Behauptungen „In der Schweiz gilt die Glaubens- und Gewissensfreiheit (BV Art. 15), diese beinhaltet jedoch keinen Zwang zum Glauben durch Eltern oder Familienangehörige.“ und „Auch ein Kind darf nicht gegen seinen Willen zum Glauben an eine Religion gezwungen werden.“ sind daher falsch.

  4. 2. Etwas ganz anderes ist die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung in Art. 11 BV:

    Dieser begründet einen Leistungsanspruch: Gesetzgeber und rechtsanwendende Behörden müssen auf allen Ebenen (Bund/Kantone) den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen auf spezifische Förderung der Persönlichkeit Rechnung tragen. Inhaltlich gehe ich mit Ihnen weitgehend einig. Nur:
    – Das Schulwesen ist Sache der Kantone (Art. 62 Abs. 1 BV).
    – Ebenso ist die Ausgestaltung des Verhältnisses von Kirche und Staat Sache der Kantone (Art. 72 Abs. 1 BV).

    Solange es weiterhin (kantonale) Staatskirchen gibt und solange in kantonalen Schulgesetzen die Vermengung von Kirche und Staat wuchert, bleibt eine religionsneutrale Schule und Förderung wohl ein Wunschtraum. Nur ein Beispiel: Das Schulgesetz des Kantons Wallis definiert als Grundaufgabe der Schule, die Schüler auf ihre „Aufgabe als Mensch und Christen vorzubereiten“ (!). Gestützt darauf wurde der Lehrer Valentin Abgottspon fristlos entlassen, nachdem er als Zeichen der (durch BV 15 geschützten!) weltanschaulichen Neutralität des Staates ein Kruzifix im Klasssenzimmer abhängte. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu erklären, dass ich darum die Vorstösse Ihrer Partei, die Sonderstellung christlicher Symbole in der Verfassung ausdrücklich zu schützen, aus verschiedenen Gründen nicht gutheisse…

  5. So sehr ich thematisch an sich bei Dir bin, so wenig denke ich, dass die Behörden hier wirklich grosse Möglichkeiten haben. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit wird in unserer Rechtssprechung doch sehr hoch eingeschätzt und den Eltern nachzuweisen, dass sie ihr Kind gegen dessen Willen zu religiösem Fanatismus zwingen dürfte auch nicht ganz einfach sein. Es wäre aber durchaus mal prüfenswert solch einen Musterprozess zu führen, der gute Mann würde vormundschaftliche Massnahmen sicherlich nicht hinnehmen und das nötige Kleingeld für die rechtliche Vertretung dürfte ja sicherlich organisierbar sein.

    Ich glaube nicht, dass das Verhindern der Teilnahme am Schwimmunterricht reicht um den Eltern Vernachlässigung vorzuwerfen, zumal der Vater ja wohl den Stoff anders nachholen lässt (mit Privatunterricht). Das ist sicherlich keine gute Situation, dürfte sich aber nur auf gesetzlicher Ebene lösen lassen, denke ich, leider.

  6. Harry Muff, viele Menschen sind für religiöse und esoterische Themen empfänglich, weil sie etwas brauchen um sich die Welt zu erklären und um Halt und Orientierung zu finden. Philosophie wird vernachlässigt, da Philosophie für viele Menschen zu nüchtern und kompliziert ist. Vergleicht mal ein esoterisches Buch mit einer philosophischen Schrift. Das esoterische Buch kann jeder Trottel lesen, philosophische Bücher sind anspruchsvoller. Viele Menschen ziehen einen breiten ausgetrampelten Pfad einem steinigen Weg vor.

    Meiner Meinung nach müsste man Kinder Religionsgeschichte und Philosphie lehren. Das wäre sinnvoller als religiöser Unterricht an Schulen. Es kann nämlich tatsächlich nicht die Aufgabe einer staatlichen Schule sein, Kindern eine Religion zu vermitteln. Vielmehr sollte die staatliche Schule Kinder dazu befähigen, besser mit Religionen umgehen zu können und diese im geschichtlichen Kontext besser einordnen zu können. Mit Philosophie kann man dem menschlichen Bedürfnis nach Antworten zu grundlegenden Fragen unserer Existenz auf intelligente Weise gerecht werden.

    Zur rechtlichen Lage noch ein Hinweis: Die Schweiz hat 1997 das „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“ ratifiziert. Das ist eine UNO-Konvention. Demnach verpflichten sich die Vertragsstaaten, dem Kind unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten seiner Eltern, seines Vormunds oder anderer für das Kind verantwortlicher Personen den Schutz und die Fürsorge zu gewährleisten, die zu seinem Wohlergehen notwendig sind; zu diesem Zweck treffen sie alle geeigneten Gesetzgebungs- und Verwaltungsmassnahmen.

    Laut Artikel 29 d dieses Übereinkommens einigen sich die Vertragsstaaten darin, dass die Bildung des Kindes darauf gerichtet sein muss, das Kind auf ein verantwortungsbewusstes Leben in einer „freien Gesellschaft“ im Geist der Gleichberechtigung der Geschlechter vorzubereiten. Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern in einer „freien Gesellschaft“ heisst für mich ganz klar, dass auch Mädchen am Schwimmunterricht teilnehmen sollen!

    Laut Volksschulverordnung des Kantons Zürich besteht die Schulpflicht für alle Kinder, die sich im Kanton Zürich aufhalten und deren Aufenthalt länger als zwei Monate dauert. Die VSV sieht laut Paragraph 29 folgende Gründe für Dispensationen vor:

    VSV, Paragraph 29
    Die Gemeinden dispensieren Schülerinnen und Schüler aus zureichenden Gründen vom Unterrichtsbesuch. Sie berücksichtigen dabei die persönlichen, familiären und schulischen Verhältnisse. Dispensationsgründe sind insbesondere:
    • Ansteckende Krankheiten
    • Aussergewöhnliche Anlässe
    • Feiertage oder besondere Anlässe religiöser oder konfessioneller Art
    • Vorbereitung für kulturelle oder sportliche Anlässe
    • Aussergewöhnlicher Förderbedarf
    • Schnupperlehren

    Ein Dispensationsgrund: „Ungleichbehandlung von Mädchen aus religiösen Gründen“, ist ausdrücklich nicht aufgeführt.

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    Jonas, wir wissen alle, dass kleine Kinder (unter 10 Jahren) ihre Eltern als Vorbild nehmen und tun was ihnen die Eltern sagen. Wenn also z.B. ein fanatischer Muslim-Vater von seiner minderjährigen Tochter verlangt ein Kopftuch zu tragen, dann wird sie das tun. Notfalls auch unter Druck. Zum Beispiel wenn die Eltern ihr Kind bei Weigerung bestrafen oder die religiöse Gemeinschaft ein “widerspenstiges” Mädchen sanktioniert. Sowas darf es in einem von der Aufklärung geprägten Land wie der Schweiz nicht geben. Hier muss mit aller Härte gegen die religiösen Untäter vorgegangen werden. Denkbar wäre zum Beispiel ein Entzug des Sorgerechts. So könnte z.B. auch dem Recht einer Tochter strengislamischer Eltern auf eine gute und geschlechtsneutrale Ausbildung und Entwicklung entsprochen werden.

    Wenn Behörden mit einen Dispens für den Schwimmunterricht aus religiösen Gründen konfrontiert werden, dann sollten bei ihnen die Alarmglocken läuten. In so einem Fall sollten sie die betreffende Familie unverzüglich unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls handeln (zunächst Bussen und dann Sorgerechtsentzug und Wegnahme der Kinder).

  7. Naja, 1400 Franken Busse wegen Verweigerung des Schwimmunterrichts ist eine bisschen viel, findest du nicht ?

  8. Hallo Christoph, das finde ich nicht. Denn ich denke an das Wohl der Tocher. 1400 Franken sind sogar sehr günstig, wenn man dafür das Leben eines Mädchens verpfuschen oder negativ beeinflussen kann.

    Fundamentalistisch religiöse Überzeugungen haben Eltern von ihren Kindern fernzuhalten. Ein Staat, welcher sich den Errungenschaften der Aufklärung verpflichtet fühlt, hat Kinder vor übertriebenem religiösem Eifer zu schützen, sofern Kinder dadurch Schaden nehmen könnten.

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