1. August Feier

Von Alexander Müller veröffentlicht am 1. August 2009 | 3.759 mal gesehen

Heute am 1. August feiern die Schweizerinnen und Schweizer ihren Nationalfeiertag. Die 1. Augustfeier ist eine Huldigung des Rütlischwurs, der irgendwann im 13. oder 14 Jahrhundert (den genauen Tag und Monat weiss man nicht so genau) in der Innerschweiz stattgefunden und ein Bündnis der Urschweizer Kantone Schwyz, Uri und Unterwalden besiegelt haben soll. Dieses Bündnis ist in einem Bundesbrief, der auf Anfang August 1291 datiert ist und ein Verteidigungsabkommen zwischen den drei erwähnten Urkantonen beinhaltet, festgehalten.

Der übersetzte Wortlaut des Bundesbriefs lautet:

In Gottes Namen. Amen. Das öffentliche Ansehen und Wohl erfordert, dass Friedensordnungen dauernde Geltung gegeben werde.— Darum haben alle Leute der Talschaft Uri, die Gesamtheit des Tales Schwyz und die Gemeinde der Leute der unteren Talschaft von Unterwalden im Hinblick auf die Arglist der Zeit zu ihrem besseren Schutz und zu ihrer Erhaltung einander Beistand, Rat und Förderung mit Leib und Gut innerhalb ihrer Täler und ausserhalb nach ihrem ganzen Vermögen zugesagt gegen alle und jeden, die ihnen oder jemand aus ihnen Gewalt oder Unrecht an Leib oder Gut antun.— Und auf jeden Fall hat jede Gemeinde der andern Beistand auf eigene Kosten zur Abwehr und Vergeltung von böswilligem Angriff und Unrecht eidlich gelobt in Erneuerung des alten, eidlich bekräftigten Bundes, — jedoch in der Weise, dass jeder nach seinem Stand seinem Herren geziemend dienen soll. — Wir haben auch einhellig gelobt und festgesetzt, dass wir in den Tälern durchaus keinen Richter, der das Amt irgendwie um Geld oder Geldeswert erworben hat oder nicht unser Einwohner oder Landmann ist, annehmen sollen. — Entsteht Streit unter Eidgenossen, so sollen die Einsichtigsten unter ihnen vermitteln und dem Teil, der den Spruch zurückweist, die anderen entgegentreten. — Vor allem ist bestimmt, dass, wer einen andern böswillig, ohne Schuld, tötet, wenn er nicht seine Unschuld erweisen kann, darum sein Leben verlieren soll und, falls er entwichen ist, niemals zurückkehren darf. Wer ihn aufnimmt und schützt, ist aus dem Land zu verweisen, bis ihn die Eidgenossen zurückrufen. — Schädigt einer einen Eidgenossen durch Brand, so darf er nimmermehr als Landmann geachtet werden, und wer ihn in den Tälern hegt und schützt, ist dem Geschädigten ersatzpflichtig. — Wer einen der Eidgenossen beraubt oder irgendwie schädigt, dessen Gut in den Tälern soll für den Schadenersatz haften. — Niemand soll einen andern, ausser einen anerkannten Schuldner oder Bürgen, pfänden und auch dann nur mit Erlaubnis seines Richters. — Im übrigen soll jeder seinem Richter gehorchen und, wo nötig, den Richter im Tal, vor dem er zu antworten hat, bezeichnen. — Gehorcht einer dem Gericht nicht und es kommt ein Eidgenosse dadurch zu Schaden, so habe alle andern jenen zur Genugtuung anzuhalten. — Entsteht Krieg oder Zwietracht zwischen Eidgenossen und will ein Teil sich dem Rechtsspruch oder der Gutmachung entziehen, so sind die Eidgenossen gehalten, den andern zu schützen. — Diese Ordnungen sollen, so Gott will, dauernden Bestand haben. Zu Urkund dessen ist auf Verlangen der Vorgenannten diese Urkunde gefertigt und mit den Siegeln der drei vorgenannten Gemeinden und Täler bekräftigt worden. Geschehen im Jahre des Herrn 1291 zu Anfang des Monats August.

Was viele leider nicht wissen, der heute existierende Schweizer Bundesstaat wurde am 12. September 1848 mit in Kraft treten der 1. Schweizer Bundesverfassung gegründet. Weshalb man nicht den Geburtstag unseres Bundesstaats zum Nationalfeiertag erhob und stattdessen einen willkührlich bestimmten Tag anfangs August zum Nationalfeiertag erhobt, liegt an den Umständen, welche der Gründung unseres Bundesstaats vorausgingen. Um den Weg für die Gründung unseres Bundesstaats frei zu machen, musste man zunächst die katholisch-konservativen Sonderbundskantone, die sich vehement gegen einen Bundesstaat sträubten überzeugen. Im Sonderbundskrieg im Jahr 1847 wurden die konservativen Sonderbundskantone (zu ihnen gehörten auch die Innerschweizer Kantone) dann mit Nachdruck von den Vorteilen des neuen Bundesstaats überzeugt (indem sie schlicht und einfach militärisch besiegt wurden). Damit war der Weg für den heutigen Bundesstaat frei.

Da unser Bundesstaat eine Willensnation ist, war es wichtig auch die unterworfene katholisch-konservative Bevölkerung, die so vehement gegen den neuen Bundesstaat gekämpft hatte, für diesen zu gewinnen. Man tat dies indem man Schweizer Mythen hochstilisierte. So kam das Märchen von Wilhelm Tell, welches vom Deutschen Schriftsteller Schiller geschrieben wurde in die Schweiz und so wurde der Mythos vom Rütlischwur zwischen den Urkantonen, der dank dem Bundesbrief von Anfang August 1291 als glaubhaft erschien, zum Gründungsmythos der heutigen schweizerischen Eidgenossenschaft erkohren. Ein 1. August, der sich an die ungenaue Datierung des Bundesbriefs von 1291 anlehnte und sich auf den Gründungsmythos des Rütlischwurs bezog, war natürlich besser geeignet die Katholiken für die Schweiz zu gewinnen als der banale Geburtstag eines eben erst gegründeten Bundesstaats. Es galt Einigkeit herzustellen um den jungen Bundesstaat besser gegen innere und äussere Bedrohungen verteidigen zu können. So kam die Schweiz zu ihrem Nationalfeiertag am 1. August.

Wie damals scheint es allerdings auch heute noch wichtig zu sein, dass man Mythen hochhält und bei Reden an 1. August-Feiern lieber Märchen erzählt als die wahren Probleme unseres Landes beim Namen zu nennen. Man ist am 1. August froh, dass es unseren Bundesstaat trotz aller Probleme immer noch gibt und will diese für einmal, ganz nach dem Motto „Aus den Augen aus dem Sinn“, vergessen.

So kommt es, dass Politiker die Gründungsmythen unseres Bundesstaats auch heute noch benutzen um mit ihnen Politik zu machen. Da wird unter dem Vorwand eines Liberalismus, der eher Weichsinn als Liberalismus ist, gegen die Minarettinitiative und für Europa plädiert, da wird behauptet, dass die Schweiz aus der Niederlage gegen die USA (bei der das Bankgeheimnis gegenüber den USA praktisch kampflos aufgegeben wurde) gestärkt hervorgehen wird und da will man den Leuten weissmachen, dass im Namen der humanitären Tradition unseres Landes trotz Schengen eine Umstrukturierung des Bundesamts für Migration notwendig ist um wieder wie damals vor der Ära Blocher mehr Asylanträge bearbeiten zu können.

Glückwunsch an jene, die von all dem nichts wissen und sich stattdessen auf die Feier, das Beisammensein und das Ablassen von Feuerwerkskörpern freuen. Möge unser Bundesstaat und das, was ihn wirklich ausmacht (Demokratie, Freiheit und Unabhängigkeit) noch lange erhalten bleiben.

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3 Gedanken zu „1. August Feier“

  1. Nun, es ist sonnenklar, dass die Schweiz wie wir sie kennen ihre Geburtsstunde am 12. September 1848 hat. An diesem Tag trat die erste Bundesverfassung in Kraft und somit war dies die Geburtsstunde unseres Bundesstaats.

    Der Bundesbrief von 1291 bezieht sich auf ein Verteidigungsbündnis der drei Innerschweizerkantone Uri, Schwyz und Unterwalden. Ich denke nicht, dass Mörgeli dies ernsthaft bestreitet.

    Man kann die alte Eidgenossenschaft als Vorläufer des heutigen Bundesstaats betrachten, mit dem damaligen Herrschaftssystem hat unsere moderne Demokratie jedoch nichts mehr gemeinsam. Was vorbildlich am Verteidigungsbündnis von 1291 war, war der Wille sich gemeinsam gegen äussere Bedrohungen zu verteidigen. Das ist uns heute leider etwas abhandengekommen.

  2. Heute wissen viele Leute nicht mehr wann unser Bundesstaat gegründet worden ist. Insofern wäre der 12. September 1848 durchaus ein valabler Nationalfeiertag.

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