Neid, eine Schweizer Untugend?

Von Alexander Müller veröffentlicht am 2. August 2011 | 3.356 mal gesehen

Gestern beklagte sich Christoph Blocher in einem Interview über den Neid anderer Leute. Dieser sei in der Schweiz weit verbreitet und richte sich gegen jene, die sich aufgrund ihrer Leistung und ihrem Fleiss aus der Masse hervor getan hätten.

Selbstkritisch habe ich mich gefragt wie das bei mir aussieht und festgestellt, dass ich keine Neidgefühle gegen andere Menschen hege. Hingegen empfinde ich manchmal Gefühle der Missgunst. Für mich gibt es einen Unterschied zwischen Neid und Missgunst. Zunächst einmal habe ich Respekt vor Leuten, die etwas leisten. Allerdings ist persönlicher Erfolg nicht nur von der eigenen Leistung abhängig. Es braucht dazu auch etwas Glück und die Gunst anderer Leute. Es braucht Leute, die zu einem stehen, die einem fördern oder den Rücken decken und mit einem zusammen an einem Strang ziehen. Der persönliche Erfolg ist zu einem grossen Teil abhängig von der Zuneigung und Leistung anderer. Es braucht Türöffner. Manche profitieren auch von einer Erbschaft ohne dafür etwas geleistet zu haben.

Ich persönlich bin gesund und erfolgreich und habe keinen Grund auf andere neidisch zu sein. Dennoch habe auch ich manchmal Gefühle der Missgunst. Diese Missgunst tritt bei mir dann auf, wenn ich das Gefühl habe, dass Erfolgreiche arrogant werden und jene vergessen, die zu ihrem Erfolg beigetragen haben. Gerade Parteien sind auf die freiwillige Arbeit und Beiträge ihrer zahlreichen Mitglieder angewiesen. Diese Leute arbeiten ehrenamtlich und opfern ihre Freizeit für ihre Partei und die Leute, die diese an der Spitze vertreten. Einige Exponenten scheinen das zu vergessen und gehen nach meinem Empfinden mit Helfern ziemlich arrogant um. Grüssen diese nicht einmal richtig. Das nervt und bildet letztlich eine Grundlage für Missgunst. Wenn einer grüsst hinterlässt das einen positiven Eindruck. So habe ich nie vergessen, dass mich Bundesrat Ueli Mauer persönlich gegrüsst hat. Dasselbe trifft für Sepp Blatter zu. Diese Höflichkeit rechne ich den beiden hoch an.

Eine weitere Grundlage für verletzte Gefühle und böses Blut bilden Machtkämpfe und Meinungsverschiedenheiten. Dabei kommt es vor, dass Leute, die sich jahrelang verdienstvoll für eine Sache eingesetzt haben, einfach abgesägt werden. Dass diese Leute dann nicht unbedingt gut auf jene zu sprechen sind, die sie zu Fall gebracht haben, versteht sich wohl von selbst. Wobei man sich natürlich auch selber zu Fall bringen kann, darf man auch nicht vergessen.

Verständnis habe ich auch für Missgunst in der Wirtschaft. Nicht alle Menschen haben nämlich die gleichen Chancen und Fähigkeiten um es bis zu den oberen Zehntausend zu schaffen. Viele bleiben aufgrund von Schicksalsschlägen oder anderen Problemen früher oder später auf der Strecke. Gerade in der Wirtschaftskrise gehören diese Leute nicht selten zu den Verlieren. Wenn man dann sieht, dass die Eigentümer und Kapitäne von Unternehmen ihren Mitarbeitern den Gürtel enger schnallen sich selber aber Millionenboni ausschütten, muss man sich nicht über Missgunst wundern. Wer so rücksichtslos handelt, der ist kein Vorbild mehr. Er wird zum Sündenbock.

In unserer Demokratie sind alle Bürger gleichwertig. Wir haben kein Zensuswahlrecht. Ein grosser Teil des Volkes will keine Obrigkeiten und Könige. Wer führen will, muss dienen können.