Scheinheilige Denunzianten

Von Alexander Müller veröffentlicht am 10. August 2014 | 2.924 mal gesehen

Mit dem Titel „Gefangen im Netz“ und dem abgedroschenen Spruch „Das Internet vergisst nicht“ machte der Blick heute einmal mehr auf die Bundesangestellte aufmerksam, die frivole Bilder von sich im Internet publiziert hatte. Was auch einmal gesagt werden muss: Das Internet vergisst vor allem deshalb nicht, weil es Leute gibt, die mit ihren Artikeln aktiv dafür sorgen, dass das so ist!

Das Internet vergisst nicht, weil es Leute gibt, die dafür sorgen, dass das so ist.
Das Internet vergisst nicht, weil es Leute gibt, die dafür sorgen, dass das so ist.

Es gibt im Internet Nacktbilder und Pornodarstellungen von Millionen von Menschen. Noch mehr Menschen freuen sich über diese Bilder, weil sie so gratis Bildmaterial für die Selbstbefriedigung erhalten oder damit ihre voyeuristischen Bedürfnisse stillen können. Die Nacktbilder sind für die Darsteller in der Regel kein Problem. Es sind ja oft schöne Menschen, die auf erotischen Bildern zu sehen sind. Zumindest, wenn man von ein paar spezifischen Nischen für spezielle Bedürfnisse absieht.

Problematisch für die Darsteller auf solchen Bildern wird es dann, wenn die Medien mit Argusaugen darauf aufmerksam machen und intensiv über einen längeren Zeitraum darüber berichten. Auf diese Weise vergisst das Internet tatsächlich nur noch schwer. Bevor die Medien ein riesen Theater um ein paar bestimmte Nacktbilder veranstalten, sind diese Nacktbilder einige Bilder unter Milliarden von Nacktbildern. Die Medien sind es, die einzelne Bilder von einzelnen Personen gezielt hervorheben, z.B. weil es sich bei einer Protagonistin um eine Sekretärin handelt, die beim Bund arbeitet.

Ich bin davon überzeugt, dass nur wenige Zeitungskonsumenten jemals ein Bild von dieser Bundesangestellten gesehen hätten, wenn die Medien nicht darüber berichtet und dabei mehrere Bilder von dieser Frau gezeigt hätten. Selbst wenn einige Leser die Bilder gesehen hätten, so wäre ihnen dabei nicht in den Sinn gekommen, es hier mit einer Bundesangestellten zu tun zu haben. Dieser Zusammenhang wurde erst von den Medien aktiv hergestellt. Siehe hier:

So machte der Blick Stimmung gegen die Frau. Jetzt wurde sie freigestellt.
So machte der Blick Stimmung gegen die Frau. Jetzt wurde sie freigestellt.

Wie scheinheilig und abgedroschen klingt da der Spruch, dass das Internet nie vergisst, wenn er von jenen kommt, die eigens dafür gesorgt haben, dass das so ist? Mir kommt das so vor wie wenn ein Rufmörder sagt, ich sorge dafür, dass der Rufmord nie vergessen geht.

Scheinheilig ist auch der Aufruf zur Aufklärung. Es ist so wie wenn die Medien jetzt versuchen aus ihrem Verbrechen eine gute Tat zu machen. Dies indem sie die Aktivitäten der denunzierten und vorgeführten Person als Exempel darstellen, wie es nach der Meinung von Experten im mittleren oder hohen Alter  nicht gemacht werden sollte. Viele dieser Experten haben gar nicht die nötige Kompetenz. Bei einem Vorfall auf Twitter haben etablierte Medien einen alten Kommunikationsberater als Experten beigezogen, der selber gar kein Twitterkonto hat und gar nicht richtig über den Vorfall orientiert war.

Ich bin davon überzeugt, dass viele, die ihre Bilder im Internet verbreiten,sich durchaus darüber bewusst sind, was sie tun. Es gibt aber dennoch Gründe trotzdem Bilder von sich im Internet zu publizieren, auch Nacktbilder. So kann z.B. jemand dermassen stolz auf seinen schönen Körper sein, dass er ihn der ganzen Welt zeigen will. So jemand schämt sich auch im Alter nicht über diese Bilder, kann er doch damit seinen Enkeln beweisen wie attraktiv er einmal ausgesehen hat. Andere bekommen aufgrund ihrer exhibitionistischen Veranlagung womöglich einen Kick wenn sie Nacktbilder von sich publizieren. Wieder andere denken sich, dass ihr Bild unter den Milliarden von Bildern im Internet untergeht und damit die Gefahr, dass es ihnen schaden kann, gering ist. Viele sind ja auch eher bereits nackt an einem Strand herumzulaufen, auf dem auch alle anderen nackt herumlaufen. Schwerer ist es hingegen nackt an einem Strand herumzulaufen, auf dem alle anderen bekleidet herumlaufen. Das hat etwas mit Aufmerksamkeit zu tun. Ein Nackter unter tausenden von Nackten fällt kaum auf, ein Nackter unter Bekleideten hingegen schon.

Es kommt auch darauf an, wie über Nacktheit in der Öffentlichkeit berichtet wird. Wenn es sich um Aktions- und Performance Kunst handelt, wird anders über Nacktheit berichtet. Niemanden kommt in den Sinn zu fragen, ob die Darsteller eines solchen Kunstprojekts noch in ihrem Job tragbar sind. Selbst die Journalisten und Kommunikationsexperten nicht.

Kunstaktion von Spencer Tunick
Berufstätige Menschen nehmen an einer Kunstaktion von Spencer Tunick teil (Bild im Internet gefunden)

Wahrscheinlich denken aber wenige, dass es Medien gibt, die gezielt nach Bildern suchen, über die sie dann wochenlang intensiv berichten um einem zu schaden. Wie der Fall mit der Sekretärin zeigt, berichten die Medien aber zuweilen auch wochenlang über Menschen, die nicht prominent sind und nichts verbrochen haben. Medien sind offenbar dazu fähig, vieles zu tun, wenn es darum geht das Sommerloch zu stopfen.

Ausserdem muss auch mal gesagt sein, dass nicht jeder Seite 3 Girl beim Blick, Bunny beim Playboy oder Lustobjekt auf einem Erotikkalender sein kann.