St. Galler Staatsanwaltschaft lässt sich Zeit

Von Alexander Müller veröffentlicht am 13. November 2013 | 1.955 mal gesehen

Am 11. September 2013 reichte ich bei der St. Galler Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige wegen Rassendiskriminierung gemäss Artikel 261bis StGB ein. Am 10. Oktober 2013 beantragte ich zudem die Zivil- und Strafklägerschaft und verlangte Akteneinsicht. Ich will wissen was die St. Galler Staatsanwaltschaft bislang im angezeigten Fall unternommen hat. Die St. Galler Staatsanwaltschaft antwortete mir am 11. Oktober 2013 und teilte mir mit, dass zurzeit ein polizeiliches Ermittlungsverfahren laufe und dass mir die Parteistellung nur zuerkannt werde, wenn sich herausstelle, dass ich ein unmittelbar Betroffener sei.

STA-SG1

Konkret geht es darum ob ein Schweizer als Angehöriger einer Ethnie gilt und somit im Sinne des Antirassismusartikels diskriminiert werden kann oder nicht. Ein Zürcher Gericht hat dies bereits bejaht, wie ein rechtskräftiges Urteil zeigt. Im Kanton St. Gallen scheint diese Erkenntnis jedoch noch nicht angekommen zu sein.

Besonders stossend ist, dass sich die St. Galler Staatsanwaltschaft viel Zeit bei ihren Ermittlungen lässt. Das Verfahren zieht sich in die Länge ohne, dass ich als Anzeigenerstatter ersehen kann, ob überhaupt ermittelt wird. Seit der letzten Antwort der St. Galler Staatsanwaltschaft ist bereits wieder ein Monat verstrichen. Dieses in die Länge ziehen von Strafverfahren ist nicht im Sinne des Gesetzgebers.

In Artikel 29, Absatz 1 der Schweizerischen Bundesverfassung steht klipp und klar:

Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.

In Artikel 5, Absatz 1 der Strafprozessordnung steht zudem:

Die Strafbehörden nehmen die Strafverfahren unverzüglich an die Hand und bringen sie ohne unbegründete Verzögerung zum Abschluss.

Eigentlich müssen sich auch St. Galler Staatsanwälte an die Bundesverfassung und an die Strafprozessordnung halten. Es gibt überdies einen Bundesgerichtsentscheid, der festhält, dass Überlastung oder organisatorisches Unvermögen nicht als faule Ausrede für übermässig lange Strafverfahren akzeptiert wird. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird der Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist missachtet, wenn eine Sache über Gebühr verschleppt wird. Siehe BGE 1B_549/2012. Eine Rechtsverzögerung liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde im Verfahren über mehrere Monate hinweg untätig gewesen ist. Das scheint die St. Galler Staatsanwaltschaft aber nicht weiter zu kümmern, sie lässt sich jedenfalls Zeit.

Staatsanwälte anderer Kantone sind bei der Gewährung der Zivil- und Strafklägerschaft weniger pingelig als die St. Galler Staatsanwaltschaft. Im Kanton Zürich werden grosszügigerweise auch Leute als Zivil- und Strafkläger zugelassen, die nachweislich nicht „unmittelbar“ betroffen sein können.

Zitat der Worte eines Zürcher Staatsanwalts in einem Verfahren in Zürich:

“Eine Auslegung des Wortlauts in dieser beantragten Art erscheint unter Hinweis auf die vorstehenden Ausführungen zur Frage einer drohenden Überinterpretation als grenzwertig. In Anbetracht der RA Dr. iur. D. G. bei Ablehnung des Antrags versagt bleibenden Parteistellung rechtfertigt es sich jedoch, die von ihm beantragte Auslegung (…) einer richterlichen Beurteilung zugänglich zu machen und den Anklagesachverhalt entsprechend zu ergänzen.
Obwohl der Zürcher Staatsanwalt die Interpretation eines Klägers als grenzwertig ansieht, gewährt er ihm Parteistellung und räumt ihm Zivil- und Privatklägerschaft ein!
Rate this post