Schweizer im Mittelalter

Von Alexander Müller veröffentlicht am 13. November 2013 | 3.926 mal gesehen

In der Sendung DIE SCHWEIZER, welche derzeit im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wird, werden viele bärtige Männer gezeigt. Mittelalterliche Chroniken wie jene von Diepold Schilling und Benedikt Tschachtlan sowie Radierungen von Urs Graf zeigen aber, dass längst nicht alle Schweizer einen Neandertalerbart trugen.

Ab dem 11. Jahrhundert erliess die katholische Kirche Edikte gegen lange Haare bei Männern und gegen das Tragen eines Schleiers bei Frauen. 1073 verbot Papst Gregor VII  dem Klerus das Tragen von Bärten und Schurrbärten. Um diese Zeit begann der Klerus Männern zu raten ihre Bärte zu rasieren, um bessere Christen zu werden. Auf diese Weise sollten sie sich von anderen Kulten (z.B. der Ostkirche) unterscheiden. 1096 drohte Erzbischof Rouen Männer mit Bärten aus der Kirche zu werfen. Es ist denkbar, dass dies auch auf die Mode in der Schweiz einen Einfluss hatte.

Papst Gregor VII.
Papst Gregor VII.

Ausserdem dürften zu lange Haare und Barthaare auch beim Tragen von Rüstungen nachteilig gewesen sein und es gab natürlich auch hygienische Gründe für kurze Haare und rasierte Gesichter.

Bartlose Kreuzritter und bärtige Muslime
Bartlose Kreuzritter und bärtige Muslime

Aus der Chronik des Diebold Schilling:

Diebold_schilling

Aus der Chronik von Tschachtlan:

Tschachtlan

Ebenfalls aus der Chronik von Tschachtlan

Tschachtlan2

Bartloser Reisläufer

Reislaeufer

Schweizer waren in der Lage hochentwickelte Schwerter wie das Flammenschwert (auch Flamberg) herzustellen. Es ist daher anzunehmen, dass sie sich auch Rasiermesser anfertigen konnten.

Flamberg

Zumindest einige Frauen kleideten sich damals durchaus auch aufreizend, wie eine Radierung des Solothurners Urs Graf (um 1485) zeigt. Mit einem solchen Dekolleté dürfte eine Frau heute in keiner Bank und bei keiner Versicherung arbeiten. VG = Urs Graf

radierung_urs_graf_1485

Radierung von Martin Schongauer (er lebte von 1445/50-1491) MS = Martin Schongauer
Martin-Schongauer

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2 Gedanken zu „Schweizer im Mittelalter“

  1. Da hat es wohl Adelbert von Chamisso mit dem folgenden Gedicht auf den Punkt gebracht:

    DER RECHTE BARBIER

    Und soll ich nach Philisterart
    mir Kinn und Wange putzen,
    so will ich meinen langen Bart
    den letzten Tag noch nutzen.
    Ja! ärgerlich wie ich nun bin,
    vor meinem Groll, vor meinem Kinn,
    soll mancher noch zittern.

    Holla! Herr Wirt, mein Pferd, macht fort!
    Ihm wird der Hafer frommen.
    Habt ihr Barbiere hier im Ort?
    Lasst gleich den rechten kommen.
    Waldaus, waldein, verfluchtes Land!
    Ich ritt kreuz und quer und fand
    doch nirgends noch den Rechten.

    Tritt her Barbier, aufgeschaut!
    Du sollst den Bart mir kratzen,
    doch kritzlich sehr ist meine Haut,
    ich biete hundert Batzen.
    Nur, machst du nicht die Sache gut
    und fliesst ein einzig Tröpfchen Blut, –
    fährt dir mein Dolch ins Herze!

    Das spitze kalte Eisen sah man
    auf dem Tische blitzen
    und dem verwünschten Ding gar nah
    auf seinem Stuhle sitzen,
    den grimm’gen, schwarzbehaarten Mann,
    im schwarzen kurzen Wams,
    woran noch schwärzere Troddeln hingen.

    Dem Meister wird’s zu grausig fast,
    er will sein Messer wetzen,
    er sieht den Dolch, er sieht den Gast,
    es packt ihn das Entsetzen,
    er zittert wie das Espenlaub,
    er macht sich plötzlich aus dem Staub
    und sendet den Gesellen.

    Ein Hundert Batzen mein Gebot,
    falls du die Kunst besitzest,
    doch merk es dir, dich stech ich tot
    so du die Haut mir ritzest!
    Und der Gesell: Den Teufel auch,
    das ist des Landes nicht der Brauch!
    Er läuft und schickt den Jungen.

    Bist du der Rechte, kleiner Molch?
    Frisch auf! Fang an zu schaben,
    hier ist das Geld, hier ist der Dolch,
    das beides ist zu haben,
    und schneidest, ritzest du mich bloss,
    so geb ich dir den Gnadenstoss,
    du wärest nicht der Erste!

    Der Junge denkt der Batzen,
    druckst nicht lange und ruft verwegen:
    Nur still gesessen, nicht gemuckst!
    Gott geb Euch seinen Segen!
    Er seift ihn ein, ganz unverdutzt,
    er wetzt, er stutzt, er kratzt und putzt.
    Gottlob! Nun seid Ihr fertig.

    Nimm, kleiner Knirps dein Geld nur hin,
    du bist ein wahrer Teufel,
    kein anderer mochte den Gewinn,
    du hegtest keine Zweifel.
    Es kam das Zittern dich nicht an
    und wenn ein Tröpfchen Blutes rann,
    so stach ich dich doch nieder.

    Ei! guter Herr, so stand es nicht,
    ich hielt Euch an der Kehle,
    verzucktet Ihr nur das Gesicht
    und ging ein Schnitt mir fehle,
    so liess ich Euch dazu nicht Zeit,
    entschlossen war ich und bereit,
    die Kehl Euch durchzuschneiden!!

    So so! ein ganz verwünschter Spass!
    Dem Herrn ward’s unbehaglich,
    er wurd aufeinmal leichenblass
    und zitterte nachträglich.
    So so! das hatte ich nicht bedacht,
    doch hat es Gott noch gut gemacht,
    ich will’s mir aber merken!

    Ihr Josef Rutz (alias Free Info).

  2. Was heute belächelt wird, hatte damals einen ernsthaften Hintergrund. Ich gehe davon aus, dass es mit dem Schisma zwischen der West- und der Ostkirche im Jahr 1054 zu tun hat. Es fällt ja auf, dass es nur wenige bärtige Päpste gab, es hingegen aber praktisch ausschliesslich nur bärtige Patriarchen gab und gibt.

    Bei antiken Völkern wie Griechen, Persern und Juden waren Bärte üblich. Bei Römern war die Rasur üblich. Im frühen Mittelalter dürften aufgrund der Germanisierung Europas lange Haare und Bärte dominierend gewesen sein. Für Merowinger war langes Haar ein Zeichen von Macht. Bei Normannen wie Wilhelm dem Eroberer waren Bärte üblich. Normannenkrieger wollten sich mit dem Bart wahrscheinlich von Jugendlichen unterscheiden. Allerdings trug bereits der Normannenkönig Heinrich I., der Sohn von Wilhelm dem Eroberer, auf zeitgenössischen Darstellungen keinen Bart mehr. Er soll sich auf Druck der Kirche rasiert haben.

    King Henry I.

    Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass sich zu jener Zeit auch Schweizer Priester, Adlige und Städter rasiert haben. Schweizer sind ja bekannt dafür, dass sie sich gerne der EU anpassen (Scherz). Auf Darstellungen von Diebold Schilling sind die Bartträger eine Minderheit. In späteren Zeiten dürften Bärte wieder in Mode gekommen sein, dann wieder aus der Mode gekommen sein usw. usf.

    Darstellung der Schlacht am Morgarten von 1315. Kein einziger Bartträger ist zu sehen…

    Auch bei dieser Version der Schlacht bei Sempach ist kein Bärtiger zu sehen.

    Darstellung der Hinrichtung der Zürcher Besatzung der Festung von Greifensee durch Innerschweizer, Glarner und Berner Truppen, bekannt unter der Bezeichnung „Der Mord von Greifensee“ auch „Bluttat von Greifensee“ (Kriegsverbrechen). Diese Bluttat ereignete sich im Jahr 1444. Wo sind die Bartträger?

    PS: Der Augenzeuge Hans Fründ schrieb über die Bluttat von Greifensee: «Es sei das Erbärmlichste gewesen, das man je gesehen habe. Die Hingerichteten seien zu einem guten Teil nur arme und am Krieg unschuldige Bauersleute gewesen.»

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