Zürcher Universitätsprofessor kritisiert Schweizer Bildungspolitik

Von Alexander Müller veröffentlicht am 12. Oktober 2011 | 3.878 mal gesehen

Philipp Sarasin ist Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Zürich. Laut einem Artikel im Tagesanzeiger, will er eine stärkere Förderung der gymnasialen und universitären Bildung. Sarasin zufolge ist das Bildungssystem der Schweiz zu einseitig auf die Ausbildung qualifizierter Berufsleute ausgerichtet. Er will deshalb die Eintrittshürden für Kantonsschulen und Gymnasien senken.

Ich war über die Ansicht von Herrn Sarasin erstaunt. Denn ich glaube nicht, dass ein Akademisieren der Gesellschaft zu mehr Erfolg führt.

Länder wie Frankreich, Italien und Spanien, deren Bildungssysteme einseitig auf akademische Ausbildungen ausgerichtet sind, verfügen über hohe Arbeitslosenquoten und viele arbeitslose Akademiker und Akademiker die sich mit einem Hilfsarbeiterjob über Wasser halten müssen. Die deutschsprachigen Länder, die praxisnahe Berufsausbildungen anbieten, verfügen hingegen über eine höhere wirtschaftliche Leistungskraft und haben tiefere Arbeitslosenquoten. Daraus schliesse ich, dass die Wirtschaft qualifizierte Fachkräfte braucht, die über eine solide und praxisnahe Berufsausbildung verfügen. Wahrscheinlich denkt man aus diesem Grund in einigen Ländern in Osteuropa und in Grossbritannien darüber nach, qualifizierte Berufsausbildungen zu etablieren.

Auch bin ich gegen tiefere Eintrittshürden für Kantonsschulen und Gymnasien. Meiner Ansicht nach würde das der Qualität und dem Ansehen einer gymnasialen Ausbildung schaden.

Meiner Meinung nach sollte man eher den zweiten Bildungsweg fördern. Es gibt viele erfahrene und talentierte Praktiker, die sich weiterbilden wollen. Leider ist das Weiterbildungsangebot an Fachhochschulen kleiner als das Bildungsangebot an Universitäten.

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7 Gedanken zu „Zürcher Universitätsprofessor kritisiert Schweizer Bildungspolitik“

  1. meine rede. das schweizer berufsbildungssystem ist grossartig und kann international absolut mithalten, wie die berufswm in london bewiesen hat.

  2. Wenn ein Akademisieren der Gesellschaft nicht viel bringt, dann sollte man eben redlicherweise auch gegen die Gleichstellung der Abschlüsse von Fachhochschulen mit der Uni sein. Holzschnittartig formuliert: hier die Theorie, dort die Praxis. Daher braucht es auch nicht mehr Gelder für die Fachhochschulen, denn, was der Wirtschaft nützt, soll auch von dieser unterstützt werden und nicht vom Nanny-State.

  3. Herr Läubli, wie wollen Sie angewandte Forschung ohne Praxisbezug machen? Studien, Experimente und Feldforschung ohne Praxisbezug?

    Bei meinem Artikel geht es nicht darum Fachhochschulen gegen Universitäten auszuspielen. Ich halte lediglich eine Akademisierung der Gesellschaft für falsch. Für gewisse Berufe braucht es schlicht kein Studium. Wann waren Sie das letzte Mal beim Friseur? Wann haben Sie das letzte Mal ein Stück Brot gegessen? Brauchen Friseure, Bäcker, Polymechaniker usw. wirklich ein Universitätsstudium? Es macht doch Sinn, dass diese Leute ihr Handwerk lernen indem sie eine anständige Berufslehre machen. Genauso sinnvoll ist es aber, wenn man diesen Leuten nach dem Absolvieren ihrer Berufslehre die Möglichkeit gibt, sich weiterzubilden und sich weiter zu entwickeln. Deshalb machen eben auch Berufslehre, Berufsmatura, höhere Fachschulen und Fachhochschulen Sinn.

  4. Sehr geehrter Herr Sarasin!

    Ich teile mit Ihnen die Meinung, dass das duale Berufsbildungssystem der Schweiz immer noch relativ gut abschneidet, die intellektuelle Bildung (Gymnasium/ Hochschulen) jedoch zum Teil gegenüber den skandinavischen Ländern, vor allem Finnland schlecht bis sehr schlecht wegkommt. Den Zusammenhang zwischen stärker akademisch ausbildenden Ländern und deren offenbar höherer Arbeitslosigkeit sehe ich aber klar nicht. Viel mehr ist letztere heute das Problem der Globalisierung. Für eine qualitative Anhebung der intellektuell-akademischen Ausbildung müsste vielmehr folgendes dringend geändert werden: Die gesamte Schulbildung von Kindergarten bis Gymnasium/Hochschule ist -mit Ausnahme ETH Lausanne und Zürich – rein kantonal organisiert. Dies verhindert, dass die bereits vorhandenen innovativen Projekte zur schulischen Individualbegabungs-Förderung (Stichwort Prisma Schulhaus Wil/SG) sich auf das gesamtschweizerische Schulsystem ausdehnen lassen. Zudem sollte in der Lehrerausbildung, insbesondere Gymnasialstufe, das vernetzte Denken zwischen Ideen und Sachlagen gefördert werden. Es herrscht heute noch ein viel zu enges Spezialistentum! Interessierte können am Kommentar können sich auf dblicky@freesurf.ch melden.

    Mit freundlichen Grüssen

    D.Blickenstorfer

  5. D. Blickensdorfer hat geschrieben:

    „Den Zusammenhang zwischen stärker akademisch ausbildenden Ländern und deren offenbar höherer Arbeitslosigkeit sehe ich aber klar nicht. Viel mehr ist letztere heute das Problem der Globalisierung.“

    Sehr geehrter Herr Blickensdorfer, wenn die Globalisierung das Problem wäre, dann wäre die Akademikerarbeitslosigkeit in Ländern wie Frankreich, Spanien, Portugal, Italien usw. nicht wesentlich höher als in der Schweiz. Dies, da die Globalisierung auch die Schweiz betrifft. Man kann an Universitäten auch an den Bedürfnissen der Wirtschaft vorbeistudieren. Dies ist insbesondere bei einigen Studiengängen der Geisteswissenschaften der Fall. Ich glaube zum Beispiel, dass die Maschinenindustrie mehr von Ingenieuren, Polymechanikern und Programmieren hat als von Philosophen, Tagträumern, Theologen und weltfremden Theoretikern, die Theologie, Islamwissenschaften, Soziologie, Zoologie, Politologie, Literaturwissenschaften oder Kunstgeschichte studiert haben.

    Ich selbst würde ja sehr gerne noch Geschichte und Philosophie studieren. Doch leider finde ich im Finanzsektor keinen Arbeitgeber, der dies finanzieren würde oder bereit wäre mir dafür Zeit zur Verfügung zu stellen. Ich würde sowas also aus reinem Eigeninteresse studieren. Doch leider haben Universitäten keine arbeitnehmerfreundlichen Lehrpläne. Unis sind auf 20 jährige Grünschnäbel, die noch bei den Eltern oder in einer Studi-WG leben ausgerichtet. Von Fernuniversitäten wie der Fernuniversität Hagen einmal abgesehen. Wer weiss, vielleicht werde ich nach meiner Pensionierung mit 67 noch ein Philosophie oder Geschichtsstudium anhängen….natürlich muss ich dann wieder mit einem Bachelorgrundstudium in jenen Studiengängen beginnen, da ich ja was anderes studiert habe und somit keine konsekutiven Masterstudiengänge in Philosophie und Geschichte belegen kann.

  6. Philosophie ist weder weltfremd noch schöngeistig. Sie hat sich aus einer Tradition entwickelt, die so unterschiedliche Zweige wie Physik, Ökonomie oder Theologie (Vss. für Säkularisierung) hervorgebracht hat. Man lernt argumentieren, logisches Denken und durchschaut das Geschwätz von Dilettanten, zu denen zunehmends auch die Eliten gehören. Wer Geisteswissenschaften und Kunst verhöhnt, weiss gar nicht, was er ihnen eigentlich verdankt.
    «Vielleicht ist die schlimmste Bedrohung des Westens ja gar nicht der radikale Islamismus oder eine von aussen kommende Kraft, sondern unser eigenes mangelndes Verständnis für und fehlendes Vertrauen in unser eigenes kulturelles Erbe.» (Niall Ferguson)

  7. Anmerkung: Ich habe eine geisteswissenschaftliche Ausbildung und interessiere mich für Philosophie, Geschichte und Politik..und im historisch-kritischen Kontext auch für Religionen.

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