Mittelalterliche Justiz im Kanton St. Gallen?

Von Alexander Müller veröffentlicht am 15. November 2013 | 1.864 mal gesehen

Das Kreisgericht Rheintal im Kanton St. Gallen veröffentlichte in der NZZ ein Urteil inklusive der vollen namentlichen Nennung und der Adresse des Verurteilten. Medien dürften das aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht tun.

Staatsanwaltschaft-SG

Das Gericht begründet dieses Vorgehen mit Artikel 68, Absatz 1 des Strafgesetzbuchs. Dort heisst es:

«Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.»

Ich frage mich, inwiefern Artikel 68 StGB die namentliche Nennung erlaubt. Es steht dort nämlich nichts davon. Im Gesetz steht nur, dass Urteile von öffentlichem Interesse publiziert werden dürfen. Fraglich ist auch, was an der Veröffentlichung des Urteils in St. Gallen von öffentlichem Interesse sein soll. Da wurde also einer von zahlreichen Betrügern verurteilt okay, und sonst? Was ist daran so besonders? In China soll auch noch ein Sack Reis umgefallen sein. Es ist bei der Veröffentlichung eines Urteils aus meiner Sicht darauf zu achten, dass die Persönlichkeitsrechte von am Verfahren Beteiligten nicht verletzt werden.

Auch andere Gerichte wie z.B. das Bundesgericht publizieren Urteile, welche z.B. im Internet abgerufen werden können. Dort werden aber soweit ich bisher gesehen habe ohne Zustimmung der Beteiligten keine Namen genannt. Die St. Galler Justiz hat hier meiner Ansicht nach über das Ziel hinausgeschossen.

So sieht es aus, wenn das Bundesgericht ein Urteil veröffentlicht:

Publikation eines Bundesgerichtsurteils
Publikation eines Bundesgerichtsurteils

Es ist nicht in Ordnung, wenn ein Gericht einem Verurteilten mit der öffentlichen Anprangerung die Zukunft verbaut! Ich zweifle zudem an einer abschreckenden Wirkung dieser Verletzung der Persönlichkeitsrechte durch Vertreter des Rechtsstaats. In den USA schreckt selbst die Todesstrafe nicht vor Schwerverbrechen ab. Ausserdem können Gewerbebetreibende ihre Geschäftspartner prüfen indem sie Einblick ins Strafregister nehmen. Auch deshalb kann man auf eine öffentliche Zurschaustellung verzichten.

Eine öffentliche Zurschaustellung zur Belustigung und Unterhaltung des Boulevards ist verwerflich und im höchsten Masse bedenklich. Meiner Meinung nach gehören die Verantwortlichen der St. Galler Justiz dafür zur Rechenschaft gezogen. Der Betroffene sollte sich zur Wehr setzen und die Aufsichtsbehörde hat ihre Verantwortung wahr zu nehmen! Wir müssen darauf achten, dass der Rechtsstaat nicht zu einem populistischen Unrechtsstaat mit mittelalterlichen Zügen verkommt.

Nochwas, mir geht es nicht um Täterschutz sondern um die Einhaltung von fundamentalen Bürger- und Menschenrechten!

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