Biometrischer Pass: Ja zum Big-Brother-Überwachungsstaat

Von Alexander Müller veröffentlicht am 17. Mai 2009 | 3.698 mal gesehen

Eine hauchdünne Mehrheit des Schweizer Stimmvolks hat sich von den Drohungen der Tourismusbranche einschüchtern lassen und ja zum Big-Brother-Überwachungsstaat gesagt. Offenbar hat diese hauchdünne Mehrheit im Land kein Problem damit seine Fingerabdrücke abgeben zu MÜSSEN und diese dann zusammen mit anderen biometrischen Daten in einer zentralen staatlichen Datenbank zu hinterlegen. Im Moment dürfen die biometrischen Daten von Schweizer Bürgern (inklusive Fingerabdrücken) zwar noch nicht zu Fahndungszwecken eingesetzt werden, doch sicherlich ist das nur noch eine Frage der Zeit.

Beim nächsten Vergewaltigungsfall wird dann wieder ein Law-and-Order-Aufschrei durchs Land hallen und dann werden die Medien, angeführt von den Populisten, wieder lauthals einen Polizei- und Terrorstaat ganz nach dem Muster von Georg Orwells Roman „1984“ fordern.

Verwundert hat mich wie leichtfertig ein Teil des Volks hier einmal mehr entschieden hat. Die Arbeitsplätze in der Tourismusindustrie hängen sicherlich nicht davon ab ob ein Schweizer mit seinem Pass leicher in die USA einreisen kann oder nicht. Sowas hängt vielmehr von der Konjunktur und der persönlichen wirtschaftlichen Situation des Betroffenen ab. Doch nach dem gleichen Muster wie bei der Abstimmung über die Personenfreizügigkeit wurde natürlich wieder behauptet, dass ein NEIN zur Vorlage zu einer Kündigung (diesmal) des Schengenvertrags führen würde. Auch das ist natürlich wieder ein fertiger Blödsinn.

Auch das Argument, dass man bei der Cumulus-Karte und bei Facebook auch bereit sei seine Daten bekannt zu geben und es dann aber paradoxerweise beim Staat nicht tun wolle, zieht nicht. Es gibt nämlich einen kleinen und feinen Unterschied bei diesem Vergleich. Bei Facebook und bei der Migros (Cumulus-Karte) kann nämlich jeder selber entscheiden ob er seine Daten preisgeben will oder nicht. Beim Staat nicht. Jedenfalls ab März 2010 nicht mehr. Man muss also zwischen Freiwilligkeit und staatlichem Zwang unterscheiden. Der Staat kann mit den Daten zudem wesentlich mehr anfangen als Facebook.

Wie das wohl weitergehen wird? Wer weiss, irgendwann wird dann das Volk in seiner unkritischen Naivität auch noch zustimmen wenn es darum geht jedem Bürger einen Mikrochip unter die Haut zu pflanzen damit man jederzeit weiss wo er sich gerade befindet und was er gerade mit wem macht.

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8 Gedanken zu „Biometrischer Pass: Ja zum Big-Brother-Überwachungsstaat“

  1. Als nächstes wird wohl die flächendeckende DNS-Datenbank kommen – jedem Säugling wird schon mal ne Probe abgenommen.

  2. Auch die AHV-Nummer und die Blutgruppe könnte man natürlich auf so einem Chip speichern. Naja wenigstens kommt diese Technologie ohne Tätowierung aus. Früher gab es ja einmal einen Staat (ein Reich), welcher veranlasste, dass bestimmten Leuten Nummern auf die Haut tätowiert wurde. Dank Mikrochip ist sowas ja heutzutage nicht mehr nötig….

  3. Mich wundert vor allem die Einfältigkeit, mit welcher hier die wahlberechtigten Bürger nicht einfach „irgendwelche“ Daten wie Identifikations-„Merkmale von sich dem Staate preisgeben (wie z.Bsp. eine harmlose Adresse oder eine Haarfarbe), nein, man begnügt sich mit nichts geringerem als mit (vor Gericht gültigen), eindeutigen „Identifikations“-Schlüsseln. Das ist dasselbe, wie wenn ich dem Staate das Passwort meiner Email, die Schlüssel meiner Wohnung und gleich noch das Testament hinterlassen würde. Ein Fingerabdruck und die biometrische Gesichtsgeometrie dienen vor Gericht als „eindeutige“ Identifikations-Schlüssel/Beweise.

    Zu dumm dass gerade diese „Schlüssel“ in unseren Pässen nun nahezu unverschlüsselt oder auch nicht praktisch von jedem 1000. doofen Kriminellen unbemerkt aus Distanz ausgelesen und auf dem Schwarzmarkt an Kriminelle Organisationen (oder auch nur Geheimdienste) als Sündenbock/Tarnungs-„Merkmale“ verscherbelt werden könnnen.

    Danke Schweizer Volk, ihr habt wahrlich Weitsicht bewiesen. Ungefähr die selbe Weitsicht, der euer Horizont entspricht.

  4. Ich würde bei einer derart knappen Abstimmungsniederlage nicht vom Schweizervolk sprechen. Letzlich haben offenbar leiglich 5’504 Stimmen zum Sieg der Befürworter beigetragen. Rund 49.9% der Stimmbürger waren jedoch dagegen. Es ist daher zweckmässiger sich für die Misere bei den Befürwortern und den Abstimmungsmuffeln zu bedanken.

    Die Befürworter haben ja behauptet, dass die Sache sicher sei. Was aber bereits während des Abstimmungskampfs widerlegt wurde.

    Eine wesentliche Schwachstelle beim Datenbanksystem liegt bei den Leuten, die auf diese Zugriff haben. Wie der Fall um den Ex-Armeechef gezeigt hat, sind Daten selbst bei den Justizbehörden nicht sicher. Wieso sie dann ausgerechnet beim Zoll sicher sein sollen ist mir schleierhaft.

    Wer weiss, wenn einer Zugriff auf die Fingerabdrücke unbedarfter Bürger hat, kann diesen eventuell sogar Straftaten in die Schuhe schieben wenn er Negative von deren Fingerabdrücken herstellen und zum legen falscher Spuren verwenden kann. Das sind natürlich alles Dinge, die den Befürwortern in ihrer Einfalt nicht in den Sinn gekommen sind.

  5. Hi Zusammen
    ich war auch gegen den biometrichen Pass gestimmt und verstehe auch alle die Argumente. Was aber viel schlimmer ist: 62% der Schweizer Bevölkerung scheint es schlichtweg egal zu sein, was für einen Pass sie haben.

    Man kann ja den Befürwortern vorwerfen was man will, aber sie sind wenigstens Stimmen gegangen. Somit hat wieder einmal eine Minderheit über eine Mehrheit bestimmt, traurig ist das.

  6. Es ist nicht unbedingt traurig wenn die Stimmbeteiligung niedrig ist. Man muss davon ausgehen, dass viele von denen, die sich nicht für Politik interessieren auch keine Ahnung davon haben. Daher ist es nicht unbedingt tragisch wenn diese Leute bei den Abstimmungen nicht mitmachen. Zudem dürfte es diesen Leuten tatsächlich egal sein wie andere Leute ihr Leben beeinflussen. Es ist also nicht weiter tragisch. Ich habe mit solchen Leuten kein Mitleid.

    Hingegen ist es ärgerlich, wenn man zu jenen gehört, die bei einer Abstimmung knapp verloren haben. 5’504 Stimmen, die über Sieg und Niederlage entschieden haben, sind verdammt wenig.

  7. Klassisch und typisch würde ich mal sagen:
    Ein westschweizer Radiosender hat nach der Abstimmung der Hang zum Masochismus des Schweizer Volkes auf die Schippe genommen.
    (wenn die USA von den Schweizern verlangen würde, dass sie ab sofort keine Schokolade herstellen dürfen, dann würden die Schweizer an der Urne bestimmt auch dafür stimmen)
    Die Schweizer lassen sich freiwillig registriere, archivieren und überwachen, ganz nach dem Motto „ich habe ja nichts zu verbergen“
    Was erstens bei sicherlich 85% der Bevölkerung falsch ist, wenn man sämtliche Gesetzte knallhart durchsetzen würde und zweitens extrem kurzsichtig und total naiv ist.

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